«Nicht alles für die Katz», Matthäus 13,3-9

Jesus redete vieles zu ihnen in Gleichnissen und sprach: Siehe, es ging ein Sämann aus zu säen. Und indem er säte, fiel etliches an den Weg; da kamen die Vögel und fraßen’s auf. Anderes fiel auf felsigen Boden, wo es nicht viel Erde hatte, und ging bald auf, weil es keine tiefe Erde hatte. Als aber die Sonne aufging, welkte es, und weil es keine Wurzel hatte, verdorrte es. Anderes fiel unter die Dornen; und die Dornen wuchsen empor und erstickten’s. Anderes fiel auf guten Boden und brachte Frucht, etliches hundertfach, etliches sechzigfach und dreißigfach. Wer Ohren hat, der höre!

Als die Jünger mit Jesus allein waren, fragten sie, was die Geschichte vom Sämann bedeute. Er war enttäuscht: «Wenn ihr schon dieses Gleichnis nicht versteht, wie wollt ihr denn alles andere verstehen?!» Wir hätten wohl auch fragen müssen? Dann erklärte Jesus geduldig: «Der Sämann sät das Wort». Der Samen ist das Wort, die Verkündigung des Reiches Gottes. Und wie geht es dem Wort Gottes, das verkündet wird? Ein Teil fällt auf den Weg. Die Vögel kommen, der Feind, «der Böse», und pickt es aus den Herzen. Ein anderer Teil fällt auf felsigen Boden, es wächst oberflächlich, aber verdorrt in der Hitze, wenn Schwierigkeiten auftreten. Ein Teil fällt unter Dornen und wird erstickt. Jesus erklärt: Dornen, das sind «der trügerische Reichtum, die Sorgen der Welt und die Gier nach all den Dingen». Aber ein Teil fällt auch auf guten Boden und trägt Frucht, immer wenn das Wort mit aufrichtigem und geduldigem Herzen angehört und bewahrt wird. Manchmal wächst wenig Frucht, manchmal sehr viel, 30, 60, 100-fältig. Und was ist «Frucht»? Jesus muss das nicht erklären: natürlich Liebe. «Die Frucht des Geistes ist Liebe (Gal 5,22).»

Das «Wort vom Reich Gottes» wird gesät, sagt Jesus. Gemeint ist die Botschaft Jesu, die Markus so zusammenfasst: «Die Zeit ist da, das Reich Gottes ist nahe; kehrt um und vertraut der frohen Botschaft (Mk 1,15)!» Der Same, der gesät wird, ist eine frohe Botschaft. Sie heisst im NT das Wort von der Gnade, von der Vergebung der Sünden, vom neuen Bund, den Gott schliesst mit den Sündern, die Rechtfertigung der Sünder, die Erlösung, die Rettung, kurz: das Evangelium. Ich finde wichtig zu betonen: das Wort, das ausgesät wird, ist nicht ein Gesetz, nicht «Liebe deinen Nächsten», auch nicht Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung GFS… Es ist keine Aufforderung, Anleitung, Ermahnung. Das Wort, das ausgesät wird, ist eine Zusage. Darin gibt es nur eine einzige Aufforderung: Kehrt um, ändert eure Geisteshaltung und vertraut endlich der frohen Botschaft, «glaubt», wie das früher hiess. Vertraut, dass Gott euch geliebt hat, noch bevor ihr das Licht der Welt erblicktet.

Und wer ist der Sämann? Jesus selber natürlich, der selbst das Wort ist und in die Welt gebracht hat. Ich würde alle als Sä-Leute betrachten, die nach ihm das gute Wort weitergeben, Prediger, Katechetinnen, Professoren, Lehrerinnen, Mütter und Väter, Politikerinnen, Journalisten, Dichter. Und in noch weiterem Sinne alle, die durch aktives Handeln gute Beispiele aussäen.

Was will nun Jesus mit diesem Bild sagen? Ich kenne viele Predigten dazu: Kocht man sie ein, bleibt überall der gleiche Bodensatz: Was muss ich tun, damit ich zu gutem Boden werde? Der harte Weg, der steinige Boden und viel Unkraut, das alles ist auch in unseren Herzen. Was können wir tun, um guter Acker zu werden für Gottes Wort? Beispiele: Der Zürcher Professor Emil Brunner: «Offenbar ist uns dieser vierfache Acker gezeigt, damit wir uns prüfen, was für ein Acker denn wir seien, damit wir bereit werden für wirkliches Verstehen und Aufnehmen.» Der deutsche Helmut Thielicke: «Jesus sagt uns: Jätet die Dornen aus! Sorgt, dass der Same nicht auf den Weg fällt! Jesus sagt: Seid ordentlicher Ackerboden! Haltet dem Wort still, schafft die Verhärtungen weg…»

Gut, es kann kaum schaden, wenn wir Unkraut jäten, Herzenshärte aufweichen und ein wenig in der Seele herumpflügen. Die Frage ist nur, wie man das denn konkret machen soll. Und das Problem dieser Art von Auslegung: Jesus sagt nichts davon! «Jätet die Dornen aus, seid ordentlicher Ackerboden?» Eben das lesen wir nirgends. Jesus sagt zu seinen Jüngern nicht: «Prüfet, ob ihr guter Boden seid für das Wort.» Er gibt keine Ratschläge für Sämänner und -frauen. Er gibt auch keine Ratschläge für Boden und Bödinnen. Kein Wort deutet auch nur an, wir müssten etwas tun. Sie gehen mit mir einig: einen heiligen Text soll man sehr aufmerksam und unvoreingenommen lesen. Man soll sehen, was dasteht, und man soll aufmerksam merken, was eben nicht dasteht.

Die üblichen Predigten landen halt gern bei der Moral: «Was müssen wir tun». Haben Sie z.B. schon eine moderne Auslegung gehört für das unerhörte Wunder, dass Jesus 5000 Männer samt Frauen und Kindern satt machte mit nur fünf Broten und zwei Fischen, und dann blieben noch 12 Körbe mit Resten? Was macht man heute aus diesem Wunder? Sogar der Papst trat kürzlich in diese exegetische Moralpfütze: «Wenn wir miteinander teilen, ist genug für alle da.» Die Bibel kann erzählen, was sie will – die Kirche macht Moral daraus, oder wie man theologisch sagt, «Gesetz». Und warum? Glaubt man nicht mehr an einen Gott, der Wunder tut, bleibt nur noch das tantenhafte Seid-Nett-Zueinander. Und das ist wahrhaftig abgelutscht! Das wissen wir seit dem Kindergarten, dafür braucht es keine Kirche. Die Frohe Botschaft wird noch verlesen, aber alsbald wachsen die Dornen der Kirchenmoral auf und ersticken sie.

 (Sie verstehen mich recht: Ich teile mit Ihnen, was ich entdeckt habe, was Gott mir zeigt. Und das ist immer meine Meinung, ein Angebot, zu nehmen oder zu lassen. Ich will nicht von oben herab sagen, was man glauben muss. Diese Zeiten sind vorbei. Aber ich biete meine Auslegung an, die Frucht des Geistes und meiner Arbeit.)

Im Gleichnis vom Sämann ist keine Moral, kein Gesetz! Wenn das Gleichnis aber nicht sagt, man solle sich anstrengen, guter Acker zu werden, was dann? Was steht denn da? Jesus schildert, wie es dem Wort Gottes auf Erden geht. Jesus bereitet seine Apostel vor auf schwere Zeiten. Ihr geht bald mit meiner Botschaft in die Welt hinaus. Da müsst ihr wissen: Die Welt ist ein unmöglicher Acker. Das Menschenherz ist ungepflegt und ungepflügt, hart wie ein Weg. Da wirkt der Böse, da hat es mehr Steine als Humus. Da wachsen Brombeerranken und ersticken alles. Gegen irdische Lust, Gier und Reichtum ziehen Wort und Geist immer den Kürzeren. Stellt euch jetzt darauf ein! Seid nicht frustriert, wenn ihr mitansehen müsst, wie Krähen euren Samen fressen, wie eure Kinder euren Rat in den Wind schlagen, wie niemand zuhört, obwohl ihr tausendmal dasselbe sagt. Das ungeschminkt zu hören ist wahrer Trost. Jesus will hier trösten, nicht die Sporen geben.

Machen wir einen Abstecher in die Wissenschaft. Wie lernt der Mensch? Was braucht es, dass ein Wort beherzigt wird? 1. «Wer Ohren hat, der höre». Das Wort muss gehört werden. Sie wissen selbst, wie man in einer Predigt sitzen kann, ohne zuzuhören. Studien sagen, dass nur ein Bruchteil der Menschen wirklich zuhört, wenn gesprochen wird. 2. Es muss verstanden werden. Aber meistens versteht man nur, was man schon immer gedacht hat. Etwas Neues dringt gar nicht in den Verstand. 3. Das Wort muss Emotionen auslösen, sonst wird es nicht gespeichert. Was nicht Gefühle ankickt, Lachen und Weinen, Angst oder Hoffnung, ist morgen schon vergessen. 4. Das verstandene, gespeicherte Wort ist nun erst im Kopf angekommen. Jetzt muss es ins Herz sinken, denn unser Herz steuert, was wir tun und lassen. Aber dazu braucht es ständige, rituelle Wiederholung. Das Wort muss aufgeführt, gesungen und getanzt werden. So sinkt es dann ins Zentrum des Menschen, wo die Entscheidungen getroffen werden. Sie haben nun das «vierfältige Ackerfeld» der Kommunikationswissenschaften gehört. Jesus sagt es ähnlich, etwas einfacher.

Er scheint so cool und stoisch. Er rechnet mit Misserfolg und lässt sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Aber das stimmt nicht. Jesus war tief aufgewühlt, dass seine Botschaft nicht gehört wurde. «Weh dir Chorazin! Weh dir Bethsaida! Wenn im Sündenpfuhl Sodom und Gomorrha solche Wunder geschehen wären wie bei euch, hätten sie sich in Sack und Asche bekehrt. Aber ihr nicht. Sodom wird beim jüngsten Gericht besser dastehen als ihr! In die Unterwelt werdet ihr geworfen!» Schreckliche Zornworte, fast schon Verwünschungen. Als er vom Ölberg auf Jerusalem blickt, ruft er: «Wenn doch auch du erkannt hättest, was dir Frieden bringt. Aber es bleibt dir verborgen. Feinde werden dich belagern und deine Kinder zerschmettern.» Und er weinte dabei, erschüttert und enttäuscht, weil seine Heimat, seine Verwandten und die Heilige Stadt sein Wort zertrampeln, verheizen, ersticken. Er schimpft und weint. In der Tiefe dieses Gleichnisses weint der Gottessohn. «Rechnet damit, dass eure Mühe zu grossen Teilen für die Katz ist. Auch ihr werdet weinen. Da müsst ihr durch. Aber Kopf hoch! Arbeitet unverdrossen weiter, der Samen findet schon guten Boden; das Wort wird immer auch gehört, verstanden und beherzigt. Und daraus wächst Liebe.»

Wer irgendwie das gute Wort weiter gibt, soll das Gleichnis hören, Pfarrpersonen, Katechetinnen, Professoren, alle in der Schule, Lehrer, Väter und Mütter, Dichter und Journalisten. Ihr sät das gute Wort aufs Feld. Drei Viertel davon ist für die Krähen. Stellt euch darauf ein und verzweifelt nicht.

Das sollten auch alle politisch Tätigen hören. Ihr verkündet Ideen zur Verbesserung der Welt, ergreift Initiativen, sammelt Unterschriften. Auch euch wird es gehen wie dem Sämann. Zuerst findet ihr Zustimmung, weil man eure Idee nicht schlecht findet. Dann aber kommen die Vögel, die Hitze der Angstmacher und die Dornen des Reichtums, mit dem ewigen Totschläger: «Achtung, es könnte kosten». Dann erstickt die Zustimmung langsam und zu guter Letzte verreckt alles am Ständemehr. Aber schreibt es in euer Herz: Es ist nie alles für die Katz. Es gibt guten Boden. Bleibt dran, sät unverdrossen weiter! Dass Wort hat eine unvorstellbare, zarte Macht, wie der Samen! Etwas wird fruchten, eure Mühe ist nicht vergeblich, eure Werke folgen euch nach. Glaubt das ihm, der schlimmste Ablehnung durchmachte bis zum Kreuz. Wie der Sohn Gottes durch den Tod am Kreuz zur Auferstehung musste, so muss auch sein Wort durch bittere Ablehnung, bis es zuverlässig Liebe wirkt in unseren Herzen und in der Welt. Der Same muss sterben, bevor er leben weitergibt.

Diese Botschaft hätten wir nötig gehabt, als wir auszogen vor 50 Jahren, das Evangelium zu verkünden. Wir waren ja voll Enthusiasmus und romantischer Illusionen! Wir hätten damals Jesus hören müssen, mit diesem Gleichnis und mit seinem Wort: «Siehe, ich sende euch wie Schafe unter die Wölfe.» Enttäuschungen wären deswegen nicht ausgeblieben, Tränen hätten eh geweint werden müssen. Aber es wäre so wohltuend gewesen, von Anfang an mit der Gleichgültigkeit und der Ablehnung zu rechnen, die Jesus mit diesem Gleichnis glasklar vorhersagt.

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