Gottvertrauen

Mit Gottvertrauen in die Zukunft, zum Jahresbeginn 2022. Jeremia 17,5-8

Liedstrophe von Rudolf Alexander Schröder:

Es mag sein, dass alles fällt, dass die Burgen dieser Welt um dich her in Trümmer brechen.

Halte du den Glauben fest, dass dich Gott nicht fallen lässt. Er hält sein Versprechen.

Es mag sein, die Welt ist alt. Missetat und Missgestalt sind darin gar grosse Plagen.

Schau dir’s an und stehe fest. Denn wer sich nicht schrecken lässt, wird die Krone tragen.

Psalm 1, nach dem «AT bärndütsch» von Ruth Bietenhard:

Glücklech der Mönsch, wo nid de Gottlose folget, wo mit de Sünder nid leichet, nid zämesitzt mit de Spötter, aber Fröid het a dr Wysig vom Herr und drann umesinnet Tag und Nacht. Är glychet de Böim, wo de Beche na stöh, wo Frücht überchöme, we’s Zyt isch derfür und ihres Loub doret nie ab. Alls won er macht, gratet ihm guet. Di Gottlose hei’s nid eso. Wi Spröier sy die, verblase vom Luft. Drum chöi di Gottlose im Gricht nid besta u d Sünder nid i der Gmein vo de Grächte. Der Herr bchönnt der Wäg vo de Grächte, aber der Wäg vo de Gottlose verlüürt sech im Abgrund.

Der Prophet Jeremia braucht das gleiche Bild vom Baum, der am Wasser gepflanzt ist. Er macht den Unterschied deutlicher als Psalm 1: Wer auf Gott vertraut, ist ein Baum am Wasser. Wer aber auf Menschen vertraut, ist wie ein Dorngestrüpp in der Wüste.

Worauf setzen wir unser Vertrauen? Worauf verlassen wir uns in unserem Leben? Haben Sie sich schon mal überlegt, worauf Sie eigentlich vertrauen? Das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Es wäre einfacher, wenn man fragen würde: Wo hast du dein Geld angelegt? In Liegenschaften, Versicherungen, Aktien, oder hast du etwa Gold gekauft und in der Kühltruhe versteckt? Das wäre leichter zu sagen, wo wir noch ein wenig Geld haben, falls es dumm gehen müsste und wir in Not kämen. Da liegt gewiss etwas Vertrauen. Sobald ein wenig Vermögen da ist, verlassen wir uns darauf, dass es uns helfen würde in der Not. Ist ja vernünftig. Wenn jemand aber gar kein Geld hätte, worauf wollte der vertrauen? Oder sollte es eine Inflation geben wie vor 100 Jahren in Deutschland, wo ein Trambillet 2 Millionen Reichsmark kostete und man an der Endstation nochmals ein paar hunderttausend draufzahlen musste. Sollte Geld seinen Wert verlieren, da würde für manchen Schweizer eine Welt untergehen. Worauf vertrauen wir letztlich?

Aber mit allem Überlegen, Nachdenken und Hirnen, worauf wir wohl wirklich vertrauen, kommen wir nirgends hin. Weil Vertrauen recht wenig mit unserem Denken zu tun hat. Wir vertrauen nämlich nicht mit dem Verstand, sondern mit dem Herz. Das heisst, Vertrauen ist wie Liebe und Hass, Hoffnung oder Verzweiflung etwas, das in unserer unbewussten Tiefe spielt, in der Gefühlswelt, nicht im Kopf. Wollen wir mal nachdenken, was Vertrauen eigentlich ist?

Sie haben vielleicht Brot gegessen zum Frühstück, vielleicht sogar Züpfe? Aber sagen Sie, Sie haben doch sichergestellt, dass kein Gift im Brot ist? Wenn Sie ein Auto besteigen, haben Sie doch vorher den Kofferraum, den Motorenraum, den Unterboden gründlich abgesucht? Noch nie gehört von Zeitbomben? Und auf der Hauptstrasse haben Sie keine Angst? Vertrauen sie einfach darauf, dass nicht plötzlich aus dem Gegenverkehr so ein Freiheitstrychler ausschwenkt und findet, er fahre jetzt mal links, gerade weil die diktatorische Regierung alle zwingt, rechts zu fahren? Gratuliere zu Ihrem wahrhaft grossen Vertrauen!

Vertrauen unter Menschen bedeutet, sich darauf verlassen, dass alle es gut meinen. Wir rechnen damit, dass es wahr ist, was einer sagt, dass er hält, was er verspricht, dass er Ihnen nichts wegnimmt, was Ihnen gehört.

„Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser,“ sagen Pessimisten. „Trau, schau wem!“, sagte man früher. Jesus Sirach sagt: „Sei mit jedermann freundlich, aber vertraue unter Tausenden kaum einem! Vertraue keinem Freund, bevor du ihn in der Not erlebt hast“ (6,6.7). Manche kennen den bohrenden Schmerz, der einen jahrelang verfolgen kann, wenn Vertrauen missbraucht wurde. Da meinte man, einen guten Freund zu haben, und der «wärchet der einem zleid, dass Gott erbarm». Man soll einem Menschen erst trauen, sagen Holländer, wenn man einen Kübel Salz mit ihm gegessen hat.

Zugleich aber mahnt Weisheit: Misstrauisches Leben macht unglücklich! Ohne grossmütiges Vertrauen kann man nicht glücklich sein. Pestalozzi sagte: «Vertrauen schenken ist eine unerschöpfliche Kapitalanlage.» Der Psychiater Erik Erikson ist überzeugt: «Das Urvertrauen ist der Eckstein jeder gesunden Persönlichkeit.» Wer andern Vertrauen entgegenbringt, erfährt nämlich, dass auch ihm vertraut wird. „Vertrauen schafft Vertrauen“, wussten schon die Römer (fides obligat fidem). So brauchen wir Vertrauen zu unserem Glück. Aber bei allem grossmütigen Vertrauen, das uns ja nur guttut, sollte man halt damit rechnen, dass Vertrauen auch hie und da enttäuscht wird. „Sei lieb mit dem Hund, er merkt es und ist dann auch lieb“, hat mal einer gesagt, „aber behalte den Knebel in der Hand“. Was wir uns jetzt überlegten, ist gute alte Menschenweisheit, das hört man ja ganz gern.

Aber jetzt müssen wir uns wärmer anziehen. Es kommt ein eisiges Wort aus der Bibel, vom Propheten Jeremia (17,5-8):

Verflucht der Mensch, der auf Menschen vertraut, auf schwaches Fleisch sich stützt, und dessen Herz sich abwendet von Gott. Wie ein kahler Strauch in der Steppe! Nie sieht er Regen. Er bleibt auf trockenem Wüstenboden, im Salzland, wo keiner wohnt.

Gesegnet aber, wer auf Gott sich verlässt und dessen Hoffnung der Herr ist. Wie ein Baum am Wasser! Er streckt am Bach seine Wurzeln aus. Er hat nichts zu fürchten, wenn Hitze kommt; seine Blätter bleiben grün; auch im heissen Sommer ist er ohne Sorge. Unablässig bringt er seine Frucht. Nichts ist so abgründig wie das menschliche Herz. Voll Unheil ist es; wer kann es durchschauen?

Das ist nicht mehr so beschaulich wie Menschenweisheit! Der Prophet macht einen überscharfen Kontrast. Wer auf Menschen vertraut, ist wie ein Dornenstrauch in der Wüste! Hitze, Salz, Steine – nie Regen. Wer aber auf Gott vertraut, ist ein Baum am Bach, der nie austrocknet, immergrüne Blätter, keine Angst vor Hitze, regelmäßig Früchte.

Massive Propaganda für Gott! Damals gab es keine Plakate und Videos, aber Sprachbilder, die das Herz berühren, die in der Seele hängen bleiben. Offensichtlich gehört das Reden in absoluten Kontrasten (schwarz oder weiss, Leben oder Tod) zur jüdischen Theologie, zur biblischen Art zu lehren. Auch Jesus predigte oft so. Wir müssen das nicht nachmachen. Es passt nicht in eine heutige, differenzierte Redeweise. Aber wir merken doch: Da ist etwas Todernstes ausgesagt. Gottvertrauen ist nicht die Frage, was für Konfitüre wir gernhätten. Es geht um Lebensbrot. Auch im Neuen Testament finden wir den Satz: „Wer auf sein Fleisch sät, wird vom Fleisch Verderben ernten; wer aber auf den Geist sät, wird vom Geist ewiges Leben ernten“ (Gal 6,8). Wieder die messerscharfe Alternative: Entweder Vertrauen auf Menschen, auf sich selbst, auf irgend Irdisches – oder Vertrauen auf Gott. Vertrauen auf das Irdische ist Verderben, Gottvertrauen aber ewiges Leben.

Was würde denn heissen, auf Gott vertrauen, sich verlassen auf den Höchsten? Wie soll man auf Unsichtbares vertrauen können, auf etwas, das einem in der Aussenwelt nie begegnet? Wie soll das gehen? Es geht nur, wenn wir ein Wort von Gott hören, eine Zusage, eine Verheissung aus der Bibel. In der Natur finden wir nämlich nichts, auf das wir uns verlassen könnten. Die Natur schafft zwar wunderbares Leben, aber plötzlich nimmt sie es wieder, unbarmherzig, ungerecht. Das Mäusli ist herzig, aber das Arme wird aufs Mal gepackt, von der Schlange, vom Hühnervogel, von der Katze. Blind schlägt das Schicksal oder Corona zu, mal beim einen, mal bei der anderen, mal bei einem, der es verdient hat und zehnmal bei anderen, die es nicht verdienten. Auf die Natur ist nicht Verlass.

Nun redet das Wort Gottes der Bibel gegen das, was wir in der Natur sehen, sagt etwas Unerhörtes: «Vertrau mir, sagt Gott!» Die Welt und die Natur gibt uns keinen guten Grund, vertrauensvoll in die Zukunft zu blicken. Angst wäre da realistischer! Aber du hast einen über dir, du hast einen in dir, der es wirklich gut meint mit dir. Es ist der, der dich gewoben hat im Mutterleib, der dich immer wieder gesund gemacht hat, erinnerst du dich? Er ist dein Leben. Er hat sein Liebstes ans Kreuz gegeben, um dich zu erlösen. Verlass dich in allem auf ihn, auch wenn du ihn nicht siehst. Du kannst sehr wohl auf Unsichtbares vertrauen. Du verlässt dich ja auch darauf, dass dein Brot nicht vergiftet ist und dass der Gegenverkehr auf der anderen Seite bleibt. So musst du dich in allem auf mich verlassen, deinen Gott. Du hast einen unsichtbaren Freund, Schutzengel, Lehrer, Führer, Helfer. Verlass dich auf mich, und dein Leben ist saftig, grün, lebendig, fruchtbar – und ‚dein Ende wird selig sein’.» So hören wir die Frohe Botschaft, das Evangelium wird verkündigt.

Glaubst du das? Nicht wahr, das ist gemeint mit dem gefährlichen, trügerischen Wort «Glauben». Glauben bedeutet vertrauen auf Gott. Nicht irgendetwas für wahr halten. «Ich glaube, dass es einen Himmel gibt, oder eine Hölle, den Samichlaus, oder Engel und Teufel» usw. Auf das kommt es nicht an, was du alles für wahr hältst. Glauben heisst auf Gott vertrauen. «Gesegnet ist, wer sich auf Gott verlässt und dessen Hoffnung der Höchste ist.»

Leicht ist es gewiss nicht. Es ist kein Zufall, dass Jeremia nach seinen starken Bildern zum Gottvertrauen noch diesen Satz sagt: „Nichts ist so abgründig wie das menschliche Herz. Voll Unheil ist es; wer kann es durchschauen?“ Luther übersetzt: „Es ist aber das Herz ein trotzig und verzagt Ding…“ Ich kann ja mein eigenes Herz nicht zum Vertrauen zwingen. Der Prophet probiert, unsere Herzen gluschtig zu machen, zu löken, wie man ein Kälbchen mit Salz lökt, damit das eigenwillige Herz sein kostbares Vertrauen auf Gott setzt. Aber es ist „ein trotzig und verzagt Ding“. Beten wir darum, dass Gott durch seinen Geist, durch sein Wort, das zarte Pflänzli Gottvertrauen in unser Herz pflanzt, dass er ihm „chüderlet u bschüttet und öppe noch chly Mist drzue git“, dass es toll wächst und Wurzeln schlägt in unserer Tiefe. Wir brauchen Gottvertrauen für das, was kommt.

Und der Friede Gottes, der alles Begreifen übersteigt, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Die Gemeinde antwortet auf das Evangelium mit einem Credo, mit einem Vertrauensbekenntnis,
hier von Paul Gerhardt:

Ist Gott für mich, so trete gleich alles gegen mich.

So oft ich ruf und bete, weicht alles hinter sich.

Hab ich das Haupt zum Freunde und bin geliebt bei Gott,

was kann mir tun der Feinde und Widersacher Rott?

Nun weiss und glaub ich feste, ich rühms auch ohne Scheu,

dass Gott, der Höchst und Beste mein Freund und Vater sei.

Und dass in allen Fällen er mir zur Rechten steh

und dämpfet Sturm und Wellen und was mir bringet Weh.

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Ein Kommentar

  1. Lieber Herr Heinzer
    Heute in Reinach kein Gottesdienst, am Radio und im Fernsehen läuft ein katholischer. Es ist 2. Advent, und so “machen” wir zu zweit eine besinnliche Feier. Ich habe eine Predigt von Ihnen im Internet gesucht. “Vertrauen”, ja, das fehlt uns oft angesichts der düsteren Weltlage und anderer Bedrohungen.
    Wir haben die zwei Kerzen am Adventskranz angezündet und Ihre Predigt gelesen.
    Einfach DANKE!

    Herzliche Grüsse
    Hans und Theres Gerschwiler, ehemals in Reitnau, 93 und 82 Jahre alt.

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